Die Alten Römer nannten den Osten Sardiniens das „Land der Barbaren“. Auch wenn die Umgangsformen der Einheimischen dieser Tage überaus freundlich und hilfsbereit sind, hat sich der Name Barbagia gehalten – vielleicht weil hier seit Jahrhunderten die Zeit still zu stehen scheint!
Herbst auf der Insel: Sattgoldene Impressionen
Haben die letzten Badegäste Sardinien den Rücken gekehrt, kommt das Eiland zur Ruhe. In den winzigen Bergdörfern der Barbagia geht das Leben einen noch gemächlicheren Gang als sonst und die im heißen Sommer flirrende Luft wird von intensiven Gerüchen erfüllt.
Die Stein- und Korkeichen der Region, die Edelkastanien und robusten Blumen der Macchia bäumen sich noch einmal gegen den sich langsam näher schleichenden Winter auf. Die Thymian- und Rosmariengewächse entfalten nun ihre ganze Würzigkeit und begleiten Wanderer, Naturgenießer und Mountainbiker.
Zeigt sich Sardinien in der Barbagia ohnehin fernab des Badeparadies-Images, wirken die Hirtendörfer als wären sie aus der Zeit gefallen. Wie Vogelnester schmiegen sich die Häuserzeilen an die steilen Felswände des Gennargentu-Massivs und erzählen aus jener Zeit, als Sardinien noch ein gefürchtetes Rückzugsgebiet für Banditen war.
Giovanni Sales beispielsweise wird noch heute als sardischer Nationalheld gefeiert. Er und seine Gefolgsleute versteckten sich in der undurchdringlichen Macchia und waren für die italienischen Eroberer nur schwer zu fassen.
Video: Sardinien- Trauminsel im Mittelmeer
Eine Bahnfahrt durch die Schluchten
Unternehmen Reisende ausgedehnte Wanderungen durch die Barbagia, werden sie sich an mancher Stelle wie in einem Western fühlen. Die nur spärlich bewachsenen Hochplateaus erinnern an die Abenteuer von Winnetou, Old Shatterhand & Co.
Schnaufend und ratternd bahnt sich ein Zug seinen Weg durch dieses Eldorado: Zwischen Arbatax und Mandas zuckeln die nostalgischen Wagons durch romantische Täler und entlang einsamer, ausgetrockneter Flussläufe. Das felsige Herz der Insel so zu erleben macht gerade Familien mit Kindern und passionierten Eisenbahnfans Freude.
Mit etwas Glück werden die Passagiere vom Panoramafenster aus tierische Exoten bestaunen können. Europäische Mufflons mit ihren riesigen Hörnern klettern über kleine Bergpässe und entlang der Steilhänge. Auch Wildpferde und ebensolche Esel trotten durch die Macchia.
Macht die Schmalspurbahn Halt in Seui, lohnt ein kleiner Spaziergang. Die malerische Gemeinde wird von dichten Wäldern umgeben, die sich im Herbst ihr farbenprächtigstes Kleid überziehen. Über den weißgetünchten Häusern recken sich bizarre Berge gen Himmel und formieren ein atemberaubendes Fotomotiv.
Auf dem Inseldach und in Gigantengräbern
Mit dem 1834 Meter hohen Punta La Marmora ist die Barbagia die Heimat des höchsten sardischen Berges. Wer im Herbst auf Sardinien urlaubt, erlebt ihn vielleicht schon mit einer Schneemütze. Von Wetterstürzen völlig unbeeindruckt, weiden oben auf dem Gipfelgrat riesige Schaf- und Ziegenherden. Die Tiere liefern den Rohstoff für die berühmten Käsespezialitäten des Eilandes. Der aus Schafsmilch gewonnene Casu Marzu meint im Gennargentu-Gebirge eine Delikatesse.
Tief in die Historie taucht ein, wer das Gigantengrab von Bidistili besucht. Die Anlage gehört zu den spätesten prähistorischen Stätten Europas. Die riesigen Gräber sind im 2. Jahrtausend vor Christus entstanden und gehören zu den insgesamt 321 Kultplätzen, die auf Sardinien gefunden wurden. Zeugnisse der jüngeren Geschichte finden sich in Orgosolo.
Orgosolo
Die kleine Gemeinde inmitten der Berge galt in Italien vormals als Geburtsort des Bösen, widersetzten sich die Bewohner doch gegen jedwede Maßnahmen, die Macht in die Hände italienischer Verwalter zu geben. Immer wieder wollten sich europäische Königreiche Sardinien einverleiben und beschworen damit eine Banditenkultur herauf.
Aus jener Zeit stammen auch die bunten, sehenswerten Wandgemälde Orgosolos. Politische und wirtschaftliche Verfehlungen wurden mit ihnen an den Häusern angeprangert!
Titelbild: © Dmitry Naumov – Shutterstock.com
Bildquelle: © v.tretyakov – Shutterstock.com
Hannah Meier
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